Bizden biri. Eine von uns. Warum wir auch auf türkisch um Stimmen für die Grünen werben

ayferNETZFür große Aufregung sorgt offenbar dieses Wahlplakat bei manchen Leuten und in manchen Kreisen. Sechs türkische Wörter und schon droht der Untergang des Abendlands! Ui!

Die unsägliche Truppe NPD hat das Plakat in Schweinfurt gesehen, fotografiert und sich auf Facebook echauffiert. Einige andere rechtsextreme Gruppen sind auf den Zug mit aufgesprungen und eine Handvoll hat sich auch auf unsere Facebookseite verirrt und gepöbelt – da die geistigen Waffen unserer Angreifer sehr stumpf sind und ihre Rechtschreibung sehr dürftig ist, möchte ich sie hier nicht ausführlich zitieren, ein paar Schlagworte sollten genügen, um deren Zielrichtung zu verstehen: „Hochverrat am deutschem (sic!) Volk“, „Landnahme“, „Sauerei“.

Nun ist es aber so, dass auch Menschen, die keinen Nazimüll in ihren Köpfen haben, sich fragen: Warum machen die Grünen denn ein Plakat auf türkisch? Und das will ich gerne erklären.

Vorweg: Auf dem Plakat steht „Bizden biri“ – übersetzt: Eine von uns. Außerdem ist auf diesem Plakat auch der Slogan der Landtagswahlkampagne übersetzt: „Bayern hazir“ (Bayern ist reif; wörtlich: Bayern ist bereit) „Ya sen?“ (Und Du?). Das Plakat hängt ungefähr 20 bis 30 Mal in Schweinfurt, vorwiegend in der Nähe von Moscheen und in Stadtteilen, in denen viele Migrantinnen und Migranten leben. Eine Handvoll Plakate hängt in Dörfern im Landkreis Schweinfurt. In Stadt und Landkreis Schweinfurt hängen zur gleichen Zeit mehrere hundert deutschsprachige Wahlplakate der Grünen. In der Regel hängt keines der türkischsprachigen Plakate einzeln, sondern immer an Doppel- oder Dreierständern mit deutschsprachigen Plakaten. Außerdem hängen ein paar wenige türkischsprachige Plakate in ganz Unterfranken in türkischsprachigen Kultureinrichtungen.

Warum haben wir im Kreisverband Schweinfurt also ein türkischsprachiges Plakat gemacht? Wir laden damit die größte Migrationsgruppe in Bayern explizit auch in ihrer Muttersprache ein, Politik mitzugestalten und sich in unserer Gesellschaft einzubringen. Was in Berlin und Hamburg üblich ist, ist bei uns in Schweinfurt offenbar noch neu; in den Großstädten wenden sich viele demokratische Parteien auch in anderen Sprachen (als Deutsch) an die Wählerinnen und Wähler – ein Zeichen des Respekts für deren unterschiedliche Wurzeln und eben eine Einladung zur Wahl. Ayfer Fuchs, unsere Direktkandidatin für den Landtag, hat selbst türkische Wurzeln. Ihre Eltern kamen zum Arbeiten nach Deutschland, Ayfer und ihre Geschwister wuchsen hier auf. Ayfer heiratete einen Stefan aus Mainberg, die beiden gründeten eine Familie.

Ayfer ist für mich ein Musterbeispiel für gelungene Integration: Sie ist mit ganzem Herzen Deutsche, Fränkin und Schweinfurterin, sie arbeitet in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit jungen Menschen, die Zuwendung nötiger haben als die meisten von uns, sie engagiert sich im Integrationsbeirat, ihre Kinder ministrieren in der Kirchengemeinde und musizieren im Musikverein und Ayfer packt dort überall mit an, wo helfende Hände nötig sind. Ayfer gestaltet seit Jahren in unserer Partei aktiv Politik mit – auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene. Und das alles ohne zu verleugnen, woher sie kommt. Natürlich spricht sie auch türkisch, natürlich feiert sie nicht nur Weihnachten, sondern auch das Zuckerfest und natürlich lädt sie auch in ihrer Muttersprache dazu ein, sie zu wählen. „Börek und Gerupfter passen gut zusammen“, hat Ayfer einmal gesagt. Und nachdem sie nicht nur eine engagierte Politikerin, Krankenschwester und Mutter, sondern auch noch eine hervorragende Köchin ist, durfte ich mich davon schon selbst überzeugen.

Ich glaube, dass Integration nur so gelingen kann: Wenn jede und jeder zu seinen Wurzeln stehen darf, wenn sich alle aktiv in die Gesellschaft einbringen können, wenn es selbstverständlich ist, dass verschiedene Traditionen, auch Dialekte und Sprachen, ihren Platz bei uns haben. Übrigens: Ich selbst bin zur Hälfte Schlesierin und zu immerhin einem Achtel Elsässerin – dass bei uns zu Hause auch mal auf schlesisch geschimpft wird, der schlesische Kartoffelsalat (da sind Äpfel und Eier drin) ein tradiertes Familienrezept ist und im Keller mindestens so viel Wein aus dem Elsass lagert wie Frankenwein, macht mich wahrscheinlich nicht zu einer schlechteren Fränkin oder gar deutschen Staatsbürgerin. Ähnlich ist es mit Ayfer, ihrem Zuckerfest und ihrem türkischsprachigen Plakat.

Dass die rechtsextreme Partei NPD und andere in deren Spektrum sich – häufig voller Unkenntnis und beleidigend – gegen die Veröffentlichung eines Plakats in türkischer Sprache wenden, lässt uns Grüne nur noch deutlicher für kulturelle Vielfalt, Respekt und Akzeptanz eintreten.

Ayfer Fuchs: Eine von uns. Bizden biri.

Wer wissen will, wie grüne Integrationspolitik aussieht, kann das hier in unserem Landtagswahlprogramm nachlesen.

Nachtrag 20. August, 17.30 Uhr: Inzwischen gibt es einen Artikel, der morgen im Frankenteil der Main-Post erscheint. Er ist bereits online zu lesen.

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