Zuagroaste und Neigschmeckte – Münchens Grüne sind so bunt wie die wachsende Stadt

Zum 40. Geburtstag der Münchner Grünen haben wir ein besonders schönes Jubiläumsheft unseres Magazins gemacht. Für dieses Heft habe ich diesen Artikel geschrieben.

Die Grünen in München sind anders als anderswo. Als ich im Jahr 1994 nach der verlorenen Bundestagswahl als Teenager in Schweinfurt in die Partei eintrat, lernte ich einen kleinen Kreisverband (KV) kennen – bis heute sind die Grünen in kreisfreier Stadt und Landkreis Schweinfurt in einem gemeinsamen KV organisiert – in dem jede*r jede*n kannte, die Sitzungen in einem winzigen Büroräumchen statt- fanden und in dem ich jahre-, vielleicht sogar jahrzehntelang, das jüngste Mitglied bleiben sollte. Plakatständer wurden und werden natürlich selbst beklebt und aufgestellt und lagern zwischen den Wahlen in Scheunen und Kellern auf Privathöfen, hauptamtliche Mitarbeiter*innen gibt es nicht und die Fraktionen in Stadt- und Kreistag sind kleiner als die meisten Bezirksausschussfraktionen in München. Zu Bundesdelegiertenkonferenzen (BDK) schickten wir stets eine*n Delegierte*n und eine*n Ersatzdelegierte*n, manchmal gab es da regelrechte Kampfabstimmungen, so etwa bei der Wahl der Delegierten für die legendäre außerordentliche BDK in Bielefeld im Mai 1999, bei der eine Resolution zum Kosovo-Krieg verabschiedet wurde. Ich, gerade 19-jährig, durfte die Schweinfurter Grünen dort vertreten – bei der Delegierten- wahl hatte ich genau eine Stimme mehr als mein Gegenkandidat, der im Gegensatz zu mir gegen den Einsatz der Bundeswehr im zerfallenden Jugoslawien argumentiert hatte.

Die Münchner Grünen hatten zu dieser Zeit längst mehrere hundert Mitglieder, eine hauptamtliche Geschäftsführung, eine stattliche Anzahl an Delegierten auf Parteitagen, so dass sie gut und gerne „im Block“ auftreten konnten. München als mit Abstand größte Stadt Bayerns ist auch heute noch ein Riese, wir haben hier den größten Kreisverband der Grünen überhaupt und wachsen unentwegt.

Ich selbst gehöre erst seit April 2014 zum Kreisverband München, davor war ich im unterfränkischen Bezirksvorstand engagiert. Aber auch in München hielt ich es nicht allzu lang ohne Ehrenamt aus: Im Frühjahr 2015 wurde ich Vorstandsmitglied, im Herbst 2016 Vorsitzende der Münchner Grünen – damals hatten wir 1.200 Mitglieder, heute sind es doppelt so viele. Mehr Menschen, mehr Ideen, mehr Engagierte und viel mehr Arbeit für den ehrenamtlichen Vorstand und das hauptamtliche Team der Geschäftsstelle.

Die Münchner Grünen sind nicht erst seit der Mitgliederexplosion unglaublich vielfältig und von „Zuagroasten“ und „Neigschmeckten“ geprägt – so wie die Stadt selbst. Heute ist gerade einmal jeder dritte mit Erstwohnsitz in München gemeldete Mensch auch in München geboren, im Februar wohnten 30,6 Prozent der Münchner*innen weniger als fünf Jahre in der Stadt. Ich bin also nicht allein. Was uns Grüne eint, egal ob gebürtige Münchner*innen oder nicht, ist die unbändige Lust, die Stadt,
in der wir leben mit zu gestalten, was auch heißt: Wachstum gestalten.

Dass München eine Stadt ist, in der viele Menschen gerne und gut leben wollen, das sehen wir in den eigenen Reihen. So ist von unseren insgesamt zehn Bundes- und Landtagsabgeordneten gerade mal einer ein waschechtes „Münchner Kindl“ und unsere beiden Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat sind in Nürnberg und Hermannstadt (Rumänien) geboren. Vielfalt von Lebensläufen und Erfahrungen prägt unsere Reihen. Dass immer neue Menschen zu uns kommen und oft auch mit Verwunde- rung auf das schauen, was alteingesessenen und altgedienten Münchner*innen schon selbstverständlich ist, hilft dabei, krea- tive Lösungen für nicht zufriedenstellende Zustände zu finden. (Und nein, der Umkehrschluss ist natürlich nicht zulässig.)

Laut dem aktuellen Demografiebericht der Landeshauptstadt sind es übrigens nicht mehr sehr viele Fränkinnen oder Thüringer, die nach München kommen. Im Gegenteil: Mehr Menschen verlassen die Stadt in andere Regionen Bayerns und ganz Deutschlands, als von dort zu uns kommen. Das Wachstum der Stadt basiert heute vor allem auf internationalem Zuzug, aus ganz Europa, besonders dem Südosten, aber auch weit darüber hinaus: Fachkräfte und Studierende aus der ganzen Welt kommen nach München. Außerdem erfreut sich die Stadt eines bemerkenswerten Geburtenüberschusses. München ist jung und international – eine bunte Stadt. Eine wachsende bunte Stadt.

Das Wachstum der Stadt bringt ganz besondere Herausfor- derungen mit sich. Wohnen, Verkehr, Schulen – da werden von uns Grünen im Jahr vor der Kommunalwahl als potentiell füh- rende politische Kraft Antworten erwartet. Und wir versuchen diese im Dialog mit der Stadtgesellschaft zu geben. Wir arbeiten an einer Vision für München 2030 und wollen die Wege dahin entwerfen: Bezahlbare neue Wohnungen und viele Grünflächen durch höheres Bauen und menschengerechtere Nutzung des öffentlichen Raums. Wir stehen für preiswerte, sichere, platzsparende und umweltfreundliche Mobilität durch eine Verkehrs- wende mit weniger privaten Autos, besseren Radwegen und attraktiverem öffentlichen Nahverkehr. Und wir Grüne wollen mehr und bessere Schulen, die Kinder als Persönlichkeiten ernst nehmen, allen Kindern und Jugendlichen gerecht werden und sie bestmöglich fördern (aber nicht überfordern).

Ein grüneres, ökologischeres, menschengerechteres München. Vielleicht ist unsere Chance, unsere Ideen zu verwirklichen, noch niemals so groß gewesen wie jetzt. Das bedeutet aber auch, dass die Erwartungen an uns noch nie so groß waren wie jetzt, dass unsere Verantwortung noch nie so groß war. München als weltoffene, soziale, menschenfreundliche Heimat für viele mitzugestalten, ist unser Anspruch. Ich bin gespannt, was wir alles verwirklicht haben werden, wenn die Jubiläumsausgabe der GRETA zum 50. Geburtstag der Münchner Grünen erscheint.

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